Deutschland steht vor einer neuen Wohnungsfrage. Der anhaltende Boom am Immobilienmarkt spaltet die Gesellschaft in Gewinner*innen und Verlierer*innen. Auf der einen Seite haben die Preissteigerungen seit 2011 deutsche Immobilienbesitzer um etwa drei Billionen Euro reicher gemacht. Mehr als die Hälfte der Kapitalgewinne entfiel auf die reichsten zehn Prozent der Deutschen, aber auch Haushalte der oberen Mittelschicht (80. Perzentil) haben stark profitiert. Städtische Mieterhaushalte mit geringem Einkommen sind die großen Verlierer des Booms. In den Städten sind die Mieten im letzten Jahrzehnt dort am stärksten gewachsen, wo einkommensschwache Haushalte leben (»Gentrifizierung«). Obwohl steigende Mieten zeigen, dass das zu geringe Angebot von Wohnraum und nicht das niedrige Zinsumfeld den Boom am Immobilienmarkt treibt, versäumt es Deutschland weiterhin, die niedrigen Zinsen für zusätzliche Investitionen zu nutzen. Unsere Prognose des Wohnungsbedarfs bis 2030 lässt erwarten, dass das soziale Konfliktpotenzial der neuen Wohnungsfrage weiter zunehmen wird: Im Jahr 2030 werden knapp eine Million Wohnungen fehlen, davon allein 340.000 in den sieben größten Städten.
Judith Niehues und Maximilian Stockhausen, Institut der deutschen Wirtschaft, Köln, weisen darauf hin, dass in der Wahrnehmung der Bevölkerungsmehrheit die Ungleichheit in Einkommen und Vermögen seit Jahren steigt. Ein Abgleich mit den verfügbaren Daten zeige jedoch, dass die Daten weder ein eindeutiges Bild zeichnen, noch in wesentlichen Befunden zu den Vorstellungen der Bevölkerung passen. Unterschiedliche Datensätze führen teilweise zu unterschiedlichen Ungleichheitstrends. Eine robuste Datengrundlage sei aber für eine evidenzbasierte Politikberatung unablässig. Andreas Peichl, ifo Institut, sieht trotz einem leichten Anstieg des Gini-Koeffizienten in den letzten Jahren keine strukturelle Verschiebung von arm zu reich. Der Anstieg der Ungleichheit liege vielmehr an der Veränderung der Befragungsdaten, die der Berechnung zugrunde liegen. Mit der Flüchtlingswelle und der Einwanderung sei eine ganze Gruppe mit niedrigem oder keinem Einkommen hinzugekommen. Die Folge sei, dass die Ungleichheit insgesamt ansteige. Dies bedeute jedoch nicht, dass es einer Person, die vorher in Deutschland lebe, schlechter gehe. Charlotte Bartels, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), geht davon aus, dass die Polarisierung der Markteinkommen in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten drastisch gestiegen ist, da die Kapiteleinkommen stärker gewachsen sind als die Lohneinkommen. Zwar verteile der deutsche Staat mit seinem progressiven Einkommensteuersystem und den Sozialleistungen stark um und reduziere damit die Ungleichheit. In einer sozialen Marktwirtschaft sollte es aber vor allem interessieren, welche Einkommensverteilung der Marktmechanismus generiere. Mario Bossler, Bernd Fitzenberger, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Nürnberg, und Arnim Seidlitz, Humboldt-Universität zu Berlin, zeigen, dass die Lohnungleichheit unter Vollzeitbeschäftigten in Westdeutschland zwischen 1990 und 2010 stark angestiegen ist. Ein Grund dafür sei die zunehmen-de Heterogenität der Erwerbsverläufe. Seit 2011 habe die Lohnungleichheit nicht mehr weiter zugenommen. Mit der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns im Jahr 2015 sei die Lohnungleichheit am unteren Ende der Lohnverteilung zurückgegangen. Moritz Kuhn, Universität Bonn, stellt in der Diskussion über Vermögensunterschiede den Häusermarkt und die Verteilung des Immobilienvermögens in den Mittelpunkt seiner Analyse und diskutiert die Bedeutung von Veränderungen der Häuserpreise für die Vermögensungleichheit. Nach seinem Ergebnis haben sich die unteren Vermögen nach einem Anstieg der Hauspreise stärker erhöht als die Vermögen der reichsten 10%, d.h., die Vermögensungleichheit bei steigenden Hauspreisen sinkt. Till Baldenius, Humboldt-Universität zu Berlin, Sebastian Kohl, Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, Köln, und Moritz Schularick, Universität Bonn, argumentieren dagegen, dass der Immobilienpreisboom die Vermögen der Hälfte der Bevölkerung gar nicht erreicht: Denn zu den großen Immobiliengewinnern zählten Haushalte, die über Immobilienvermögen verfügen und das sei im "Mieterland Deutschland" noch nicht einmal jeder zweite Haushalt. Zudem träfen Mietsteigerungen insbesondere Mieter in ärmeren Stadtvierteln, die einen immer größeren Einkommensanteil für Wohnausgaben ausgeben müssten. Rolf Kleimann, Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung, Tübingen, findet, dass die üblichen Maße zur Bestimmung von sozialer Ungleichheit für die Politik nicht handlungsleitend sein können. Unterschiedliche Messkonzepte zur Ungleichheit führten zu unterschiedlichen Ergebnissen und seien wenig brauchbar. Prekäre Lagen hätten immer konkrete Dimensionen und verlangten konkrete Hilfe.
Im Kern eines Instrumentenmixes für die deutsche Energie- und Klimapolitik sollte nach Ansicht von Andreas Löschel, Universität Münster, eine allgemeine CO2-Bepreisung stehen, die einen ökonomisch sinnvollen und langfristigen Rahmen für die umfangreiche Transformation setzt. Bei marktwirtschaftlichen Preis- oder Mengeninstrumente genüge zur kosteneffizienten Erreichung der Ziele, klimaschädlichen Aktivitäten einen angemessenen einheitliches CO2-Preis zu geben. Zudem generiere die CO2-Bepreisung Einnahmen, die eine gerechte Transformation ermöglichen. Till Baldenius, Tobias Bernstein, Matthias Kalkuhl, Maximilian von Kleist-Retzow und Nicolas Koch, MCC, diskutieren die Verteilungswirkungen von Preis- und ordnungsrechtlichen Instrumenten für mehr Klimaschutz im Verkehrssektor. Sie zeigen, dass sowohl CO2-Effizienzstandards als auch Subventionen und Fahrverbote problematische Verteilungswirkungen haben und regulatorische Maßnahmen nicht durch vorteilhafte Verteilungswirkung gegenüber Preisinstrumenten gerechtfertigt werden können. Anke Bekk, Anne Held und Jan George, Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung, zeigen, dass eine Abschaffung der EEG-Umlage Verzerrungen im Wettbewerb zwischen konventionellen Technologien und Sektorkopplungstechnologien verringern würde. Eine Refinanzierung über eine höhere CO2-Bepreisung des EEG-Finanzierungssystems könnte somit einen wichtigen Beitrag zur weiteren Marktdurchdringung von Sektorkopplungstechnologien leisten und zur Beschleunigung der Dekarbonisierung der Energiewende beitragen. Allerdings seien damit Verteilungseffekte verbunden, für die ein Ausgleichsmechanismus implementiert werden sollte, beispielsweise eine Pro-Kopf-Ausschüttung zur Entlastung einkommensschwacher Haushalte. Doina Radulescu, Universität Bern, stellt die Probleme vor, die entstehen, wenn mehrere Ziele – Umwelt-, Verteilungs- und Wettbewerbspolitik – mit einem einzigen Instrument adressiert werden. Umweltziele sollten über CO2-Steuern, Verteilungsziele über progressive Einkommensteuern und Industriepolitik über weitere Maßnahmen erreicht werden. Unterschiedliche Vorstellungen von Gerechtigkeit spielen für die Zustimmung zu klimapolitischen Maßnahmen eine große Rolle. Michael Pahle, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, Stephan Sommer, RWI, und Linus Mattauch, University of Oxford, untersuchen, unter welchen Aspekten die Bevölkerung einem CO2-Preis zustimmt und ihn als fair wahrnimmt. Sie zeigen, dass zur Verbesserung der gesellschaftlichen Unterstützung eine direkte Rückverteilung, bevorzugt mit einer Pro-Kopf-Prämie, erfolgen sollte. Eine Studie von Daniela Setton und Ortwin Renn, IASS, kommt zu dem Ergebnis, dass die Energiewende von der Mehrheit der Bevölkerung als ungerecht eingestuft wird, insbesondere im Hinblick auf die Kostenverteilung. Quer durch alle Bevölkerungsgruppen zeige sich bei den gewünschten Kostenverteilungsregeln eine klare Präferenz für Verursachergerechtigkeit, dabei stehe jeweils die Klimaverschmutzung oder die Höhe des Energieverbrauchs im Vordergrund. Wer viel verbraucht oder hohe CO2-Emissionen verursache, solle mehr, nicht weniger für die Energiewende zahlen. Es sei vor diesem Hintergrund nicht verwunderlich, dass eine breite Mehrheit der Bevölkerung die EEG-Ausnahmeregeln für die stromkostenintensive Industrie ablehne. Hartmut Kahl, Stiftung Umweltenergierecht, prüft, ob das Modell der Schweiz, die eine CO2-Abgabe auf fossile Brennstoffe erhebt und deren Aufkommen zu zwei Dritteln an die Bevölkerung rückerstattet, als Vorbild für Deutschland dienen könnte. Im Ganzen zeige sich, dass die Pro-Kopf-Rückerstattung einer CO2-Bepreisung in Deutschland rechtlich umsetzbar sei. Ob diese Verwendung der eingenommenen Mittel sinnvoll sei oder die Gelder an anderer Stelle eine ungleich stärkere Hebelwirkung in Sachen Klimaschutz entfalten könnten, sei aber eine andere Frage. Karen Pittel, ifo Institut, diskutiert die Frage der Verteilung der Lasten aus der Klimapolitik auf verschiedene Generationen. Eine Politik, die zu kurzfristig ausgelegt sei, könne die Kosten der Erreichung langfristiger Klimaziele erheblich erhöhen. Die Formulierung von jahresgenauen Zielen für die Emissionsminderung leiste einer solch inkrementellen Denkweise weiteren Vorschub und könne sich negativ auf die Erwartungen und Innovationstätigkeit von Unternehmen auswirken.